Städtische Wohnungsbaugesellschaft
MANGELNDE RISIKOKENNTNIS; OBERFLÄCHLICHE ALTERNATIVENPRÜFUNG.
Die Stadt Dreieich stürzt sich in ein Abenteuer mit unüberschaubaren Folgen.
Es soll eine eigene Wohnungsbaugesellschaft gegründet werden. Die Kosten:
• 7,5 Mio. Euro für das Eigenkapital,
• jährlich 500.000,- Euro für die Mitarbeiter,
• bis zu 60-80 Millionen Euro für die Bauvorhaben.
Diese Mittel wollen SPD und CDU, bei bereits derzeit weit über 50 Millionen Euro städtischen Schulden, investieren. Um ab sofort selbst Planer, Bauherr, Betreiber und Vermieter zu sein. Es sollen bis zu 400 Sozialbauwohnungen gebaut werden. Trotz – oder gerade wegen – der in der Stadtverordnetenversammlung vom 20.9.2016 deutlich gewordenen, mangelnden Detailkenntnis eines Großteils der für diese Vorlage stimmenden Stadtverordneten, wagt sich die Stadt damit auf ein komplexes und riskantes Feld, auf dem die sie keine Erfahrungen und Kompetenzen hat.
Zur Erinnerung: Am 1.12.2015 beschloss die Stadtverordnetenversammlung, zu prüfen, „ob und wie eine Tochtergesellschaft innerhalb der Stadt-Holding zur Bilanzierung und zur Bewirtschaftung der Flüchtlingsunterkünfte eingerichtet werden kann“. Nun, rund 10 Monate und etliche Gutachterseiten später, ist die wohnungsbautechnische Mücke zu einem Elefanten geworden – der sich in einem Porzellanladen bewegt. Vor dem die beiden verantwortlichen Fraktionen offensichtlich die Augen verschließen:
Dass selbst die beauftragte Unternehmensberatung darauf hinweist, dass eine Refinanzierung nur in einer Höhe von 55 bis 75% wahrscheinlich ist, wird übergangen. Die daher nötigen Subventionen und der sich daraus ergebende Liquiditätsabfluss werden ignoriert.
Dass die gewählte Rechtsform „AöR“ den Bau und die Vermarktung frei finanzierter Wohnungen ausschließt, aber eine städtische Wohnungsbaugesellschaft auf Dauer ohne diese Gewinnbringer die Sozialbauwohnungen nicht finanzieren kann, wird einfach ausgeblendet.
Das derzeitig gute Zinsniveau wird in die Zukunft projiziert.
Alternativen werden nur oberflächlich geprüft.
Und ganz vergessen scheint zu sein, dass die Stadt gerade erst dank des kommunalen Schutzschirms des Landes Hessens und einer massiven Grundsteuererhöhung vor dem Finanzkollaps gerettet wurde.
Nach Ansicht der FDP-Dreieich reichen gute Absichten alleine nicht. Man muss auch der Realität ins Auge schauen. Die Tragweite der zu treffenden Entscheidung hätte einer tiefer gehenden Abwägung aller alternativen Ausgestaltungsoptionen bedurft – von der Möglichkeit „eigene Rechtspersönlichkeit“ bis hin zu z.B. einer Fremdvergabe (an zum Beispiel Projekträger wie die ABG Frankfurt, Nassauische Heim oder GWB, die hinreichend Erfahrung mit der Projektierung und Erstellung entsprechender Liegenschaften haben).
Aus Sicht der FDP-Dreieich ist das Ergebnis entscheidend, dass der geplante Wohnraum den Bürgern von Dreieich zeitnah und bezahlbar zur Verfügung steht. Es sollte eine untergeordnete Rolle spielen, ob der Träger der Wohnanlagen eine städtische oder eine andere Wohnungsbaugesellschaft ist. Insbesondere wenn die andere Wohnungsbaugesellschaft die Wohnungen den Bürgern zur Verfügung stellt und die Stadt dabei keine Haushaltsrisiken eingeht. Anders gefragt: Soll die Stadt wirklich ein derart hohes Haushaltsrisiko eingehen, nur um sagen zu können, dass sie ein Projekt selbst realisiert hat – während beispielsweise ein anderer Träger genau dasselbe Projekt mit dem gleichen Nutzen für die Bürger realisieren könnte, ohne dass die Stadt dabei ein solches Haushaltsrisiko eingeht?
Es gibt eine Vielzahl von Beispielen von städtischen Pleiten. In Singen brach die städtische Wohnungsbaugesellschaft unter ihrer Schuldenlast zusammen. In Essen ist die städtische Immobiliengesellschaft GVE im letzten Jahr in eine bedrohlichen Schieflage geraten. Und auch die Stadt Dreieich selbst hat bereits ein Debakel hinter sich mit der Baugenossenschaft Dreieich, die in den 70er Jahren zusammengebrochen ist. Dieses hatte ein 40-jähriges Konkursverfahren nach sich gezogen.
Wohnungsbau, egal ob sozial oder nicht, muss man „Können“. Was die Stadt nicht kann und hierfür zwei (nicht ganz billige) Geschäftsführer einstellen will. Grundsätzlich hätte man daher prüfen müssen, ob das nicht andere, die davon etwas verstehen, wesentlich risikoärmer machen können. Und die Vor- und Nachtteile dieser Alternativen detaillierter beleuchten müssen. Leider wurde dieses versäumt.
FDP Dreieich, 23.09.2016